Die Rüben des Südens

Reportage
zuerst erschienen 2015 in Capital Nr. 12, S. 80-90
Fassung des Autors
Ein Weltkonzern, beherrscht von Bauern. Deren Genossenschaft hat das Schicksal der Südzucker AG in der Hand, jetzt, wo die Europäische Union ihre Zuckermarktordnung ändert

Ich stamme aus Eppingen im Kraichgau. Dem Epizentrum des Rübenanbaus. Was an dem Boden dort liegt: lehmig braune Löss-Erde und am Wetter, Sonne aber nicht zu viel; Regen aber auch nicht zu viel. Rüben wollen es nicht zu warm und nicht zu nass. Ich besitze, klar, Kraichgau, Aktien der Südzucker AG.

Jugenderinnerungen: Im Morgennebel ziehen Traktoren überladene Anhänger zu Gleisanschlüssen in der Hügel-Landschaft. Habe mal vier Anhänger an einem Traktor gesehen. Wenn es schneit, ist alles weiß bis auf die Hügel gerodeter Rüben. Vermummte Gestalten. Atem zu sehen. Wie ein Breughel-Gemälde. Kam ich nach einer Stunde vorbei, war kein Mensch mehr da. Keine Rübe. Alles matsch-braun. An Rüben-Geruch kann ich mich nicht erinnern. Nur an den der Erde.

Größter Zuckerproduzent der Welt ist die Südzucker AG. Als mich auf dem Mofa Fragen beschäftigten: wie viele Anhänger hängen an dem Traktor? Beatles oder Stones? Überholen oder zu spät zum Matheunterricht? In dieser Zeit lauerten, von mir unbemerkt, Rübenbauern darauf, nach mehr als 40 Jahren die Südzucker AG zu kapern. Südzucker hieß Süddeutsche Zucker, obwohl jeder Südzucker sagte. War einer von mehreren auf dem von der EU mit Quoten, festgelegten Rüben-Preisen, Zollschranken, Importverboten regulierten Markt. Die meisten Aktien gehörten damals der Deutschen Bank.

Das Zucker-Paradies, in dem Brüssel der Südzucker die höchste Quote zugeteilt hatte, endet jetzt. Nicht erst 2017, wie die EU festgelegt hat. In der zweiten Hälfte des Jahres 2015 müssen die Bauern ihre Fruchtfolgen festlegen. Ob sie Zuckerrüben-Saaten bestellen und nächstes Frühjahr Rüben säen, die ab Januar 2017 zu Zucker verarbeitet werden. Für einen völlig freien Markt. Die Frage jetzt ist, riskier ich’s? Oder versuch’s mit Raps, Kartoffeln, Getreide, Mais.

Grob lässt sich diese Geschichte so zusammenfassen: Weil die EU Regeln ändert, steigt die Chance der Südzucker Konkurrenten vom Markt zu fegen. Allein wegen der 29 Südzucker-Fabriken, deren Skaleneffekte, der Möglichkeit, Preise zu drücken bis andere brechen. Die europäische Zuckermarktordnung von 1968 bis 2017 hat die Südzucker zum Riesen werden lassen. Weil Rübenbauern hier mehr und besseres ernteten als die Kollegen woanders. Das Kartellamt würde heute weitere Südzucker-Zukäufe nicht zulassen. Der Konzern kann nur aus sich selbst wachsen.

Jetzt kommt Wild West, Rohrzucker könnte eindringen. Konkurrenz, selbst für Rübenbauern in Europas Zuckerrüben-Banane. Die biegt sich von der Normandie über die Champagne in Frankreich nach Süden bis Baden, Franken, Bayern, Österreich wieder hoch nach Polen. Gegenden mit bestem Rübenklima: 89 Tonnen pro Hektar. Mehr Zucker drin, in Süddeutschland 15,4 Tonnen Zucker pro Hektar. „Bisher unvorstellbar“, so der Jahresbericht des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer. Nur im Kraichgau und in Franken gibt es Rüben mit 20 Prozent Zucker.

Die von der EU geschenkte neoliberale Chance birgt ein Risiko: Die Rübenbauern beherrschen heute die Südzucker. Sie verkaufen quasi an sich selbst, müssen entscheiden, wie viel sie, wenn es keinen von der EU vorgeschriebenen Rübenpreis mehr geben wird, sich selbst bezahlen. Damit ihre Südzucker den Druck auf Konkurrenten erhöhen kann. Sind sie clever, nehmen wenig, gäbe es erst mal weniger Rübengeld. Aber Chancen, als Aktionäre in Zukunft zu verdienen. Ihr Dilemma: schnelle oder langfristige Gier? Wie zahle ich meine Maschinen ab mit weniger Rübengeld? Wie die Pacht für den Vertrag, der noch fünf Jahre läuft? Halte ich durch, bis Südzucker-Dividenden sprudeln? Muss der Sohn wirklich in London studieren? Wann ist der Daimler abbezahlt? Werden überhaupt Dividenden sprudeln? Aktien verkaufen kann keiner einzeln. Nur die Genossenschaft.

An den Schienenanschlüssen in Eppingen, Gemmingen, Schwaigern luden sie Rüben auf Züge nach Waghäusl, wo die Zuckerfabrik stand. Technisches Hintergrundwissen: Läuft eine Zuckerfabrik erst mal, darf sie nicht mehr stoppen. Sie muss 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche gleichmäßig laufen in der Kampagne. Pausen wegen fehlenden Nachschubs, technischer Probleme oder Energiemangel würden ein klebrig-festes sechsstöckiges Bonbon in der Landschaft erschaffen. Eine Zuckerfabrik, die eine halbe Milliarde Euro kostet, wäre Karamell.

Ist meines Wissens nie passiert. Hätte davon auf dem Schulhof gehört. Aber die Gefahr führte dazu, dass die Zuckerindustrie ihre Abläufe perfektionierte. Während der Kampagne werden die Fabriken non-stopp gefüttert, obwohl die Deutsche Bahn seit 1993 keine Rübe mehr transportiert. Schienen von Hauptstrecken ins Nichts der Felder schaffte sie ab, als sie vom Staatsbetrieb zur fitten AG werden sollte. Was den Bauern Zusatzverdienste ermöglichte. Sie gründeten Transport-Gemeinschaften, investierten in Lademaschinen und Riesenaufleger, bringen ihre Rüben direkt zur Fabrik während der Kampagne von Ende September bis Dezember inzwischen sogar Januar. 24 Stunden am Tag, 7 Wochentage.

Wo früher Trecker Richtung Bahnhof tuckerten, tobt heute Hi Tech – Irgendwann in dieser Nacht, im Regen, im Matsch, in der Kälte sagt wer: „Vier Anhänger an einem Trecker, ich tipp mal auf den Schnellen Keller“. Schneller Keller? „Vater vom Klaus Keller, der von vorhin in dem Laster. Der schnelle Keller ist dem sein Spitznamen. Der hat so Stunts gebracht.“ Nachts um 4 Uhr auf Feldern zwischen Gemmingen und Schwaigern. Regen. Fledermäuse. Schlamm. Wolken verdecken den Mond. Rübenmaus 5 wirkt wie ein Raumschiff. Knallgelb. Sensoren, Kabelstränge. Ihr 1400-Liter-Dieseltank hängt neun Meter vom Rumpf entfernt fünf Meter hoch an einem Metall-Arm im Nachthimmel als Gegengewicht zum Förderband-Arm der Rüben auf die 40-Tonner bringt. Arm, weil er menschlichen Armen nachentwickelte Gelenke hat, sich bewegt wie ein Hip-Hopper.

Der Terminator ist ‚ne Witzfigur verglichen mit Rübenmaus 5: In ihrer zehn Meter breiten Schaufel drehen sich Rollen auf dem Acker gegeneinander, erschaffen einen gierigen Riesenschlund. In der Mitte hängt ein Teiler, der hin und her wackelt wie der Kopf des fiesesten aller Aliens. Die Rüben knallen aufs Blech des Lasters 90005. Hören sich an wie Schläge. Ständig ändert sich die Form der Rübenmaus. Die Gelenke rudern. Die Scheinwerfer wandern. Ständig verändert sie ihren Stand.

Walter Krebs aus Eppingen, wie alle in gelber Signalweste, sitzt vier Meter hoch im Cockpit, bedient zwei Joysticks, den Transponder und hat mehrere Tabletts vor sich, einen Knopf im Ohr und die knisternden Geräusche des Funkgeräts um sich herum. Er kann die Kabine höher beamen, um von oben in die Anhänger zu schauen. Seinen Sitz dreht er um 300 Grad. „Einloggen!“ oder „Stopp, langsam, langsam!“ Er spricht zu den Lastwagenfahrern. Später fährt er das Cockpit hoch, sorgt für Gefühle wie auf dem 10 Meter Brett im Schwimmbad. Ohne Wasser.

Walter Krebs bedient Rübenmäuse und ihre Vorgänger seit 1993. Heute Nacht wird er Rekorde brechen. Einen Laster mit 27,5 Tonnen Rüben in 2 Minuten 47 füllen, einen in 2 Minuten 50. Viele in drei Minuten. Rübenmaus 4 hat vergangenes Jahr noch vier Minuten gebraucht. Mehr als 27,5 Tonnen Rüben dürfen es nicht sein, weil der Zuckerfabrik sonst Strafzahlungen zustehen von der Transport-Gemeinschaft. Krebs riskiert 27,65. Geht durch in der Zuckerfabrik Offenau.

Krebs mag die Maschine. Sie ist neu, arbeitet erst seit heute Morgen. Hat noch Probleme mit dem Transponder, weshalb er Informationen über den Sprechfunk hören und geben muss. Dreimal kommen in den ersten zwölf Stunden Experten von Südzucker und Ropa, der Firma, die Rübenmaus 5 gebaut hat. Aber noch immer werden nicht bei jedem Laster Daten in die Zuckerfabrik gesendet. Aber egal, das Ding macht Walter Krebs Spaß.

Klaus Weidelich erklärt mir die Abläufe. Sein Hof in Gemmingen liegt 25,2 Kilometer von der Zuckerfabrik Offenau. 100 Hektar, davon auf 25 Rüben. Er ist Geschäftsführer der Rübentransport-Gemeinschaft Kraichgau, 400 Bauern, 80 davon Fahrer, 10 Lotsen, dazu die Rübenmaus-Männer. Das Geschäft innerhalb des Geschäfts. Wir stellen fest, seine Schwester hat mit mir Abi gemacht. Er erklärt mir, wie die Ernte-Gemeinschaft Rüben mit selbstfahrenden Anlagen rodet, reinigt, ablegt, GPS-Daten in die Apps der Transport-Gemeinschaft spielt.

Rübenmaus 5 wird zum nächsten Acker verlegt. Krebs drückt auf den Touchscreen, sie fährt alles ein, was sie hat. Die Schaufel zerlegt sich, fährt hoch. Tentakeln schwenken mit Förderbändern, Schaufeln, Tanks nach vorne oder hinten. Bis sie zwanzig Meter lang ist, schlank wie ein Lastwagen. Kann nun auf die Straße. Hyper Hi Tech, eine halbe Million Euro teuer. Banken finanzieren. Ist die Rübenmaus abgeschrieben, wird sie in Osteuropa verkauft. Lohnt sich, sagt Weidelich.

Er und Jürgen Kachel sind die Lotsen, die ich in den folgenden Schichten erlebe. Sie sitzen abwechselnd im weißen VW-Bus. Dirigieren am Funkgerät Laster und Rübenmaus, rammen Leucht-Pfeile an Kreuzungen in die Erde. Orientierungshilfe für die Fahrer. Lotsen sind für Notfälle. Also immer am arbeiten. Die Nacht ist Abenteuer auf Äckern. Viel Technik, viel Macho, viel Action. Trotz Sensorik und digitaler Datenhuberei wird ständig improvisiert. Als aus dem Funkgerät kommt „tschtsch, krr, Verkehrsbefragung in Böckingen, krrsch, Stau“ reagiert Kachel mit „Torsten, hör zu, mir fahrn über Massenbachhausen.“ Im selben Dialekt wie Jogi Löw in der Halbzeitpause.

Als es in der zweiten Nacht stark regnet und die Arbeit zum Tiefseetauchen in Matsch wird, dirigiert Kachel Laster um, damit nicht zu viel Matsch auf die Straße kommt zwischen Gemmingen und, verdammt, wo geht es da hin? Richen? Ich kenne die Gegend, aber verliere die Orientierung in der Dunkelheit bei diesem ständigen Rasen auf Feldwegen. Es soll nicht so viel Matsch auf der Straße landen, auch wenn er vorher schon einen Traktor mit Schieber ran telefoniert hat, der Matsch von der Straße kratzen wird.

Die Laster, alles Daimler, haben Berliner Kennzeichen, sind gechartert. Die Aufleger Heilbronner, deren Nummer identisch ist mit der, die auf die grünen Wände gemalt ist. Logistik. Die Nummern sind wichtig. „Wo ist die 08?“ fragt Walter Krebs ins Funkgerät. Er hat jetzt Zeit: „Die ganze Logistik, zu dem Preis, zu dem wir das machen, würde die Südzucker das nie machen. Es geht um jeden Cent.“ Meine Theorie, Südzucker ist der Größte, hat auf einem freien Markt also beste Chancen, mag er nicht: „So einfach ist das nicht, in Polen gibt es Flächenprämien, das wird kein freier Markt, nur in Deutschland. Wir sind blöd.“ Auch Ungarn, Griechenland, Spanien, Italien zahlt Rübenbauern pro Hektar Subventionen. Zusammengefasst gilt aber: Wir sind die Rübenbauern, Kerle. Südzucker sind die in Mannheim. Die sind doch alle promoviert. Nur die in Brüssel sind noch schlimmer.

Werden Rüben aufgeladen, wird im Transponder gespeichert von wessen Feld welches Gewicht um wie viel Uhr zur Zuckerfabrik geht. Ich fahre mit Reinhard Keller. Nicht zu verwechseln mit dem Sohn des Schnellen Kellers aus Mühlbach, vom Aussiedlerhof. Reinhard Keller aus Eppingen, Mühlbacher Straße. Wir kennen uns aus der Grundschule. Unterwegs grüßt er Rübenlaster, die entgegenkommen, erzählt, was Rainer Staub, Volker Dotterer und Jürgen Wittmer machen. So Zeug. Wer wen geheiratet hat. Wer von wem wie viel pachtet.

In Offenau vor der Fabrik sind sechs Laster vor uns. Reinhard sagt: „Stau.“ Neun Minuten später steht unser Laster, der 90005, auf der Waage. Das Display zeigt Daten an, die auf den Transponder gespielt werden. Weiter. Innerhalb von zwei Minuten spritzt ein Wasserstrahl alle Rüben vom Laster. Von oben schauen durch eine große Glasscheibe zwei Männer zu. Weiter. Laster auf die Ausgangs-Waage. Daten aufs Display. Weiter. Was machen die beiden da oben? Die, erklärt Reinhard, schätzen, wie viel Erde dabei ist. „Gibt Abzug.“ Zurück zu den Feldern Gemmingens, der Laster wird gebraucht.

Zehn Stunden, nach einer Rübentour mit wem aus Kirchardt, oben bei den Schätzern. Jürgen Nerger ist Südzucker-angestellt. Der andere, Josef Martin, vom Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer. Für jeden Laster, in 24 Stunden kommen bis zu 700, haben sie zwei Minuten, um drei Zahlen festzulegen. Wie viel Erdanhang haben die Rüben, wie viel lose Erde die Ladung, wie viel Rübenköpfe? Nerger steuert den Wasserstrahl, der alles vom Laster spritzt und schaut auf den Bildschirm. Kommentiert Zahlen, die Martin gegenüber eintippt. „3? Gut“ Es geht um Prozente. „Keine Zeit, uns zu streiten“, sagt Martin.

Nebenan das Labor. Aus jeder Ladung zieht wer Rüben, bevor die vom Laster gespritzt werden. Häckselt sie zu Matsch. Eine Probe kommt in ein Döschen, so groß wie die Lidschatten-Kästchen meiner Frau. Barcode drauf. Tiefkühlschrank. Einmal die Woche wird alles nach Ochsenfurt gefahren. Dort der Zuckergehalt bestimmt. Der Bauer bekommt die Info aufs Laptop. Plus SMS. Jetzt weiß er, wie viel er verdient hat. Am 12. Dezember kommt die Überweisung.

In Fred Zellers Büro in Ochsenfurt bei Würzburg. Er ist Geschäftsführer der Süddeutsche Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft, SZVG. Managt die Rübenbauern. Für jemanden, der sich mit Rüben auskennt, klingt Ochsenfurt magisch. Die 1956 gebaute Zuckerfabrik sorgte dafür, dass die Bauern 40 Jahre später die Mehrheit der Südzucker bekamen. Sagt Zeller „wir“, muss ich aufpassen: Manchmal meint er die Rübengenossen, manchmal die Südzucker. Den Genossen, der SZVG, gehören 56 Prozent der Aktien. Sie hat einen Deal mit einer österreichischen Raiffeisen-Gesellschaft. An deren Zuckerfirma beteiligte sich die Südzucker, bezahlte mit eigenen Aktien. Die Ösis schlossen einen Vertrag mit der SZVG, der sagt, wir, zusammen 66 Prozent der Anteile, stimmen identisch ab.

Zeller trägt einen hellgrauen Anzug, rote Krawatte, weißes Hemd, wirkt souverän und offen. Ist groß, schlank, grauhaarig, hat Humor. Er schaue jeden Morgen die Südzucker Aktienpreise an. „30 Euro, da hab ich mich gewundert. Das war die Südzucker nie Wert. Jetzt bei 14 Euro …“ Er will andeuten: Chance! Seine zwei Wirs, dieser schizophrene Wechsel hin und her, sind für mich ein Problem. Zuerst denke ich, für ihn auch. Am Ende ist klar, sein Rübenbauern-Wir ist stärker als das Südzucker-Wir. Kein Konflikt. Er schaut durch das große Fenster auf die Fabrik und klingt bedeutungsschwer: „Landwirte denken schon immer langfristig.“

Er trinkt Kaffee schwarz. Ist Rübenbauer. Naja, „Nebenerwerbslandwirt, 20 Hektar“. Nette Anekdoten: Wie er am Nachmittag nach dem Deutsch-Abi aufs Feld ging, „vereinzeln“. Die anderen fuhren nach Italien. „War damals noch eine Sensation.“ Vereinzeln muss man Rüben heute nicht mehr. Doch früher gingen die Bauern mit Hacken aufs Feld, entfernten Keime um Platz für andere Rüben zu schaffen. Rüben sind „zweijährige Pflanzen, im ersten Jahr bilden sich Wurzeln. Im zweiten die Samen. Die sind ein Knäul, den man früher einpflanzte.“ Früher.

Heute gibt es bunte Pillen. Die Südzucker schreibt in Absprache mit dem VSZ, der SZVG-Schwester vor, ob man eine Hannibal sät, eine Kleist, eine Lessing oder eine BTS 440. Das ist Vertragsanbau, es geht darum, so Zeller, „dass die Rüben gut durch die Fabrik laufen“. Man setzt sie im Abstand von 15 Zentimetern. Man kann heute alles mit der Maschine erledigen. Meldet digital, wo man gesät hat. Der Boden war als Probe im Labor. Nährstoffe, Humus, Schädlinge. Der Bauer gibt der Rode-Gemeinschaft per Rechner genau vor, wo sie die Ernte für die Transport-Gemeinschaft ablegen muss. Die kriegt die GPS-Daten auf die Displays. Alles berechnet. Man ist Teil der Maschine. Weshalb der Ertrag von Rekordernte zu Rekordernte wächst. Zellers Büro liegt in einem Gebäude der Südzucker-Fabrik. Auf der anderen Seite der Straße die Rübenwaschanlage, vier Meter über der Straße Transportbänder, die Rübenschnitzel in die Kessel transportieren. Trotz der Farben hat die Anlage schwarz-weiße Industrieromantik-Atmo. Die Anlage ist technisch topp, sagt Zeller.

Heute ist jede Rübe, jede, in einer Datenbank registriert bevor sie geerntet wird. Es gibt Maschinen, die Rüben, bevor sie geköpft werden mit Infrarot abtasten. Es geht um Millimeter. Für schlecht geköpfte Rüben zieht Südzucker ja Prozente ab. Bauern, die ihre Rüben früh ernten, mit weniger Zucker drin, bekommen Prämien. Auch die, die spät liefern. Alles ausgefuchst, dass alle zufrieden sind und die Fabrik durchlaufen kann.

Auf der Tafel vor dem Büro-Haus in Ochsenfurt steht SZVG. Plus viele Abkürzungen für regionale Genossenschaften. Und VSZ. Zeller erklärt: „Der Landwirt ist Rohstofflieferant der Südzucker AG und Aktionär der Südzucker AG. Für beide Funktionen hat er Vermittler, der VSZ kümmert sich um den Rohstoff, die SVZG um die AG. Jeder Landwirt ist in beiden Organisationen.“

Die Süddeutsche Zucker AG wurde 1920 gegründet. In der Weimarer Republik dominierte ein italienischer Investor sie. Sie besaß die Hälfte einer Erdölraffinerie in Norditalien, Fiat die andere. Im Dritten Reich wurden jüdische Mitbesitzer gezwungen, Anteile billigst zu verkaufen, um in die USA flüchten zu können. Nach dem Krieg war die Deutsche Bank Großaktionär, Hermann Josef Abs war von 1951 bis 1968 Vorsitzender des Aufsichtsrats. 1956 wurde Ochsenfurt gebaut, mit Marshallplan-Geld. Gab es nur, weil sich die Rübenbauern beteiligten. Die Süddeutsche Zucker wollte allein bauen. Aber es gab nur Ami-Geld mit Bauern. Also wollte sie wenigstens die Mehrheit. Intrigen, ein tobender Staatssekretär, Poker. Die Bauern bekamen 51 Prozent der Fabrik.

Zellers Vater, heute 82 Jahre alt, war dabei. 1950, als die Genossen sich vorbereiteten, gaben jeder ein Darlehen an die SZVG, die Zellers 150 Mark. Wer kein Geld hatte, konnte mit Rüben bezahlen. Dazu gab und gibt es jedes Jahr kleine Abzüge vom Rübengeld für die Kriegskasse. Auf das Investment 1950 wurden 2013 29,4 Prozent Zinsen bezahlt. 2014 16,3 Prozent. Mit den Darlehen sind Lieferrechte verbunden. „Die Landwirte suchten nicht nach Geldanlagen. Sie wollten Rüben verkaufen. Mein Vater kaufte Einlagen als Wunschmenge für den Hof. Ich kann so und so viel Rüben produzieren, also kaufe ich entsprechende Anteile.“

Das ist das Erfolgs-Geheimnis: Anteile sind Lieferrechte. Die werden gehandelt. Ein Bauer kann Rechte verkaufen ohne den Boden. Dafür schafft die SZVG einen Markt. Sie kontrolliert, dass Fruchtfolgen eingehalten werden, dass der Weg zur Fabrik kürzer wird. „Wir haben für eine Wanderung hin zur Fabrik gesorgt.“ Andere Zuckerproduzenten bezahlen den Transport komplett, die Südzucker nur für die Quotenrüben. Liefert ein Bauer mehr, muss er von den Zusatz-Transportkosten 25 Prozent übernehmen. „Dafür haben wir mehr für die Rübe bezahlt.“ Heißt: Wer nahe an der Fabrik ist, verdient noch leichter. Zeller holt Karten mit den Zuckerfabriken Europas. Drum herum Kreise. Die in Süddeutschland sind kleiner. Er lächelt wie ein Sieger.

Viele haben ihre Anteile an Bauern näher an der Fabrik verkauft. „Wir hatten den Schneid, diese unbequeme Regelung einzuführen. 2006. Das war hart für viele, aber für die Gemeinschaft war es gut. Bringt uns extreme Vorteile in der Zukunft.“ In den 70ern lieferten 100.000 Rübenbauern an die Süddeutsche Zucker. Übrig sind 17.000. Um so was durchzuziehen, braucht man Härte. Heute werden Südzucker-Rüben nicht mehr über lange Strecken transportiert. Aber fast jede hat eine Ausweichfabrik, wenn es Stau auf der Autobahn geben sollte, Hochwasser, Revolution, Weltuntergang.

Rohrzucker spielt in dieser Geschichte kaum eine Rolle. Klingt seltsam, wird doch etwa zwei Drittel allen Zuckers weltweit aus Rohr gewonnen. Brasilien, Indien, Thailand sind die größten Produzenten, schützen ihre Märkte wie sie es von der EU gelernt haben. Rohr hat Vorteile: Stauden werden verfeuert, was Energiekosten senkt. Braucht aber extrem mehr Wasser als Rüben, was Kosten treibt. Vorteile gab es wegen der Tagelöhner, aber die automatisierten Fabriken in Europa haben inzwischen noch weniger Personalkosten. Als die EU 2006 an ihrer Zuckerordnung schraubte und 15 Prozent des Marktes Importen aus Ländern wie Brasilien oder Afrika übergab, als Entwicklungshilfe-Geste, fiel der Zuckerpreis in der EU so stark, dass kaum Rohrzucker in die EU kam. Rentierte sich nicht. Brasiliens Zuckerrohr wurde zu subventioniertem Ethanol. Europa hatte erstmals nicht genug Zucker. Bei keinem Gespräch mit Rüben-Experten entdeckte ich Angst vor dem Rohr. Null.

Die Rüben-Kampagne 2014 dauerte 120 Tage. Je länger, desto besser. Wegen des Skaleneffekts: ob die Fabrik 80 Tage oder 120 Tage läuft, das kostet, ganz grob gesprochen, fast gleichviel, trotz Personal- und Energiekosten. Läuft die Fabrik einmal, soll sie möglichst lange laufen, so macht sie richtig Geld. Im Kraichgau und in Franken hat die Rübe die höchste „relative Vorzüglichkeit“. Wissenschaftlich gesprochen. Man kann mit ihr mehr verdienen als mit anderen Früchten. Das wird manchmal durcheinander gebracht, wenn es hohe Subventionen für Mais oder Raps gibt. In Norddeutschland, bei der Nordzucker AG konkurriert die Rübe mit Getreide und Kartoffeln. In Holland mit Tulpen. In Frankreich und Belgien mit allem möglichen. Hier, in der Bananen-Mitte ist der Abstand zur nächsten Frucht am größten.

Mehr als die Quote zu roden gehe leicht. „Landwirtschaft ist Können. Man kann zaubern, mehr raus holen.“ Wenn ein Bauer mehr Rüben abliefert als er Quote hat, rechnete die Südzucker das ins nächste Jahr. Wegen des Wetters erfüllten 2014 im Kraichgau Bauern die Quote zweier Jahre. Konnten 2015 mit Raps oder Mais zusätzlich verdienen. So was gehe nur in dem Klima auf genau dem Boden.

Die Macht der Rübe spürte ich bei der Aktionärs-Versammlung im Mannheimer Rosengarten. Sah weinende Kleinaktionäre. Ältere Ehepaare, Aktionäre seit den 70ern, die schlucken, sich entsetzt anschauen, weil egal ist, was sie auf den Abstimmzetteln ankreuzen. Die Rübenbauern sind die Macht. Fertig. Ein Aktionär fragte auf dem Podium jämmerlich: „Sind die Landwirte ein Problem, weil sie zu viel Einfluss haben?“

Historisches: Aus Mangold züchten Biologen im 18. Jahrhundert Runkelrüben. Daraus Zuckerrüben. 1801 entsteht in Schlesien erstmals industriell Rübenzucker. Napoleons Kontinentalsperre gegen England, das Rohrzucker nach Europa gebracht hat, sorgt für den Rüben-Rausch. Der anhielt. „Das Klondike-Gold-Fieber war ein Witz dagegen“ so Zeller. Die Zuckerrübenwirtschaft wird Treiber der Industrialisierung im Deutschen Reich weil sie viele Stahlkessel, Rohre, Maschinen bestellt, viel Kohle verbrennt. Billige Nahrung für Arbeiter ermöglicht. Von Anfang an schützen alle Länder ihre Zuckerproduzenten vor Konkurrenz aus dem Ausland. Mit Zöllen, Quoten, Regularien. Konferenzen und gemeinsame Verträge regeln Europas Zuckerproduktion. Historikern gelten die als erste supranationale Vereinbarung, die Wettbewerbsrechte betreffen, als Saatkorn der EU. Es geht darum, den Überschuss nach der Kontinentalsperre zu regeln mit Quoten, Zöllen, Mindestpreisen. Kein Markt war je stärker reguliert als der Zuckermarkt. 1968 übernimmt die EU, noch als EWG, die deutsche Zuckermarktordnung eins zu eins. Sie war so effektiv.

Soziologischer Hintergrund: Je billiger Zucker, desto höher der Entwicklungsstand. Soziologen sehen Zuckerpreise als Indikator für den Zustand der Gesellschaft. Und: je höher entwickelt ein Land, desto weniger Zucker verbrauchen Konsumenten direkt. Sondern in Soft Drinks, Süßigkeiten, Eis, Riegeln. Via Backfabriken, Großmolkereien. Per Penicillin-, Citrussäure-, Hefe-, Waschmittel-Firmen. Die ihre Enzym-Kulturen füttern müssen. Bioethanol für Motoren kann lukrativ werden. Ein Statistik-Chinese verbraucht 3 Kilo Zucker im Jahr. Da geht was. 33 Kilo ist gängig in Europa, wobei gilt: je weiter nördlich ein Land, desto mehr Zucker verbraucht es.

Zucker im Supermarkt? Kleinkram. Alle, mit denen ich sprach, checkten mich ab. Was kostet ein Kilo Zucker in meinem Supermarkt? Wusste ich nicht. „Sehen Sie, Zucker an sich spielt keine Rolle mehr.“ Manchmal kostet ein Kilo 65 Cent, mehr als 90 Cent selten. Südzucker nennt keine Namen, aber Südzucker verdient mit Haribo, Nestlé, Coca Cola, Unilever, Dr. Oetker, Henkel, Procter and Gamble, Mars. Es geht nur um B2B.

Die Südzucker AG: Im M-Dax. Etwa 7 Milliarden Euro Umsatz, kaum Gewinn. Es waren mal knapp 8 Milliarden Euro. 204 Millionen Aktien, die 2014 mal 30 Euro Wert waren, Mitte 2015 14 Euro. Die Südzucker hat ist Kostenführer, hat Fabriken in Chile, USA, Frankreich, Belgien, Österreich, Osteuropa. In den EU-Ländern Anteile an den Quoten. In Deutschland satte 40 Prozent.

Ist diversifiziert. Wahrscheinlich der größte Tiefkühlpizza-Bäcker der Welt, größer jedenfalls als Wagner oder Dr. Oetker. Wenn auch ohne eigene Marke. Größter Portions-Verpacker Europas. Ob Zucker, Salz, Keks, Marmelade, Pralinen, Schokoriegel, Knäckebrot, Nusscreme, Feuchttücher, Kondensmilch. Kleine Portionen werden von einer Südzucker-Tochter verpackt. Größter Lieferant von Fruchtmischungen. Rührt man den Boden eines Joghurtbechers hoch oder knickt was rein, bewegt sich das Produkt einer Südzucker-Tochter. Apfelsaftkonzentrat-Hersteller, auch in China. Ricola-Bonbons sind zu 90 Prozent Isomalt, ein Südzucker-Produkt. Rübenreste werden als Viehfutter verkauft. Vor allem aber Zucker-Champion. Wenn der freie Markt los tobt, wird sie den günstigsten Zucker haben. Wenn die Bauern nicht zu viel für ihre Rüben nehmen. Zeller: „Wir haben vier Trümpfe. Stärker motivierte Landwirte, bessere Fabriken, bessere Rüben, kürzere Wege. In Holland stehen zwei super Zuckerfabriken, je 20000 Tonnen am Tag. Die größten Europas. Aber zu lange Wege.“ Bald totes Geld.

1988 kam die Fusion von Frankenzucker, so hieß die Fabrik in Ochsenfurt und Süddeutscher Zucker nach Jahren Kartellamts-Widerstand. Wilde Zeiten folgten, Internationalisierung, Diversifizierung: Immer wenn Südzucker Kapitalerhöhungen machte, finanzierten die süddeutschen Rübenbauern locker mit, weil von jeder Rübe ein paar Pfennig bei der SZVG blieben. Um in Belgien groß einzusteigen. In Frankreich. Österreich. Ostdeutschland. Osteuropa. Zu diversifizieren. Eismann und Schöller Eiscreme zu kaufen, die heute nicht mehr Südzucker gehören. Freiberger, den Pizzabäcker. Ethanol-Werke zu bauen. Vor 25 Jahren Offenau, die modernste Zuckerfabrik zu bauen. Heute würde niemand eine neue wagen. Zu viel Risiko.

Zellers Rübenbauern-Wir klingt beim Rübenpreis der Zukunft drohend. „Es ist eine wechselseitige Abhängigkeit. Wenn wir ein Jahr keine Rüben liefern, wäre Südzucker sofort zu. Wir könnten ja Raps, Mais, was weiß ich, säen.“ Fabrikeinzugsgebiete würden in Konkurrenz stehen. „Wenn sie Rübenpreise reduzieren, liefern Landwirte nicht mehr, die Fabrik wird dicht gemacht. Wenn der Preis fällt, weil freier Markt, werden einzelne Fabriken schließen, weil sie keine Rüben mehr kriegen nach der Quote. Wir müssen gucken, dass wir durchhalten. Ich sehe das, weil wir Landwirte Anteile halten.“ Er sagt: „Schicksalsgemeinschaft“.

Pfeifer und Langen in Köln, Nr. 3 in Deutschland, ist ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen. Die Bauern haben keinen Anteil am Gewinn. „In Süddeutschland wird sich der Landwirt sagen, ich hab da Kapital drin, ich bleib lieber noch ein Jahr länger in den Rüben, auch wenn der Preis unten ist.“ Die Nordzucker AG in Braunschweig, Nr. 2, Nr. 4 in Europa, gehört auch Genossenschaften. Sie ist stark in Skandinavien, weit weg von der Banane. Produziere Zucker wohl teurer. Bauern in Norddeutschland steigen eher aus, vermutet Zeller.

Ich lasse mir den Nordzucker Geschäftsbericht mailen, Gespräche bekomme ich keine. 1,7 Milliarden Umsatz, kein Viertel von Südzucker. Gewinn knapp am Minus vorbei. Wobei: Südzucker auch. Sie macht nur Plus wegen Pizzas und Marmeladepackungen. Aber: ihr Minus mit Zucker kam weil das Kartellamt ihr 200 Millionen Euro Bußgeld wegen Preisabsprachen nahm und sie Rücklagen bildet für drohende Strafen vor Zivilgerichten. Ein Grund, warum Kleinaktionäre weinten. Auf der Bühne des Rosengartens sagte der Vorstandvorsitzende der Südzucker AG, Wolfgang Heer, lässig, dazu sage er nichts. Die Macht der Rübe steht hinter ihm. Hans-Jörg Gebhard leitete die Aktionärsversammlung.

Fred Zeller besorgt mir einen Termin im Herzen der Macht. Eppingen, Richtung Adelshofen. Reinhard Keller wohnt auf der anderen Straßenseite. Über dem Sandsteintorbogen steht „Heinrich Gebhard, 1851“. Von außen sieht die Anlage unscheinbar aus. Ist mir nie aufgefallen früher. Drinnen ein Hof, Steinboden, sanierte Häuser. Hazienda-Touch. Es ist heiß, im Büro aber kühl. „Wegen der Architektur“, sagt Hans-Jörg Gebhard. Er trägt ein kurzärmeliges Hemd, einen Grunge-Bart, eine bullige Stopper-Aura. Mehrere Leute hatten mir erzählt, er sei „durchsetzungsstark“.

Ein Konferenztisch mit Butterbrezeln. Ich grüße von Hans-Jürgen. Seinem Lehrer in der 4ten Klasse. Freund meiner Eltern. Gestern hatte ich den besucht. Gebhard erinnert sich. Wir tasten rum, ich kann klären, dass er nie bei meiner Mutter Unterricht hatte. Was hilft. Gebhard ist Aufsichtsratsvorsitzender der Südzucker AG. Seit 15 Jahren. Vorstand des Rübenbauern-Zusammenschlüsse VSZ, der Mann an den Strippen. 20 Jahre. Zellers Chef. Landwirt. 180 Hektar, auf 50 Rüben. Sein Hof liegt 28,6 Kilometer zur Zuckerfabrik Offenau. Seine Felder näher dran. Vor kurzem feierte er 60. Geburtstag. Bericht in der Lokalzeitung. Wirkt jünger. Strahlt Autorität.

Das Gespräch ist ein Geschiebe. Er versucht stark zu lenken. Baut Zeitdruck auf. Drängt zu Allgemeinem. „Wir Landwirte sind Getriebene eines gnadenlosen Systems. Überall Discounter-Preise, das geht nur, weil wir so effektiv arbeiten und so wenig kriegen.“ – „Dieses Geschäftsmodell schneller, höher, größer weiter, das ist doch nichts. Die Frage ist, können wir im reinen Preiskampf gegen das Rohr bestehen. Ein Verramschen unseres Zuckers führt zum Tod des Rübenanbaus.“ – „Es liegen schwierige Jahre vor uns. Entweder kommen wir aus dem Tal raus oder diese Industrie geht kaputt.“ – „Größe ist das Entscheidende. Wir müssen soviel Menge haben, dass wir nicht austauschbar sind.“ Er wirkt entspannter bei den Themen Effizienz, Organisation, Technik. „Wir haben die höchsten Zuckererträge pro Hektar.“ Sein Wir ist eindeutig Rübenbauern, nicht wie bei Zeller vielleicht auch Südzucker. Er sagt: „Ins Blaue baue ich keine Rüben an.“ Der Satz setzt auf wie eine Bowling-Kugel, rollt drohend, räumt ab.

Tage später, vom Südzucker-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Heer kommt doch die Antwort auf die Frage ob es weiter feste Rübenpreise geben wird. „Gemeinsam mit unseren Anbauern suchen wir derzeit nach Vertragssystemen, die mit den zukünftigen Schwankungen vereinbar sind.“ Mit Zeller und den sieben Regionalvorsitzenden der VSZ werde gerade gesprochen. Also mit den Besitzern.

Hochsommer im Kraichgau zwischen Eppingen und Mühlbach. Im Zornikel war keiner den ich kenne. Nicht mal Didi. Holli ist Oberbürgermeister. Manne und Michaela leben zusammen. Sie ist mit Schwester ‚ne Woche auf Ibiza. Er dirigiert die Stadtkapelle. Da, die Kurve. Ein Sonnenblumenfeld. Hier war das. Ein Van-Gogh-Bild heute, keines alter flämischer Meister. Ich wende an der Feldweg-Mündung, suche die Oldie-CD. Kilometerzähler auf 0. Go für die CD. „Sugar, Sugar, You Are My Candy Girl“, was für ein Mitgröl-Hammer, „Pour Your Sweetness Over Me, Oh Oh Oh Sugar“. Ist Sugar Baby Love auch auf der CD? An Rübengeruch erinnere ich mich immer noch nicht.

Fahre bis zur Zuckerfabrik. Höre das Lied acht Mal. 35,4 Kilometer. Mhhhh, vielleicht hat der Acker Chancen auf dem freien EU-Markt. Morgen nach Hamburg. Werde meinen Sohn anrufen, erzählen, warum wir ihn, als er laufen lernte, Rübe nannten. Die Südzucker-Aktien werde ich verkaufen.