Das Erlebnis

Reportage
zuerst erschienen im August 2003 in brand eins
Von außen scheint es geheimnisvoll: die Rituale, die Regeln, der Handschlag. Von innen ist es sehr solide: der Meinungsaustausch, die Gemeinschaft, die Arbeit. Doch im Kern ist es unbegreiflich: das Leben der Freimaurer.

Florian Hammes-Scheidt ist Freimaurer. Im profanen Leben, so nennt er es, besitzt und leitet der 65-Jährige eine Zeitarbeitsfirma mit sechs Filialen. Aber wichtiger ist ihm, dass er seit knapp 25 Jahren Bruder der Johannisloge zur Hanseatentreue ist, weitere Erkenntnisstufen im Orden erreicht hat und so Bruder der Andreasloge Fidelis sowie des Kapitels Inviolabilis wurde. 40 ist so das Alter, in dem viele zu den Logen kommen, sagt er. „Da hast du eine Familie gegründet, deinen Beruf gefunden, das Haus angeschafft. Man sucht was Neues.“

Der Mann hat eine hanseatische Ausstrahlung. Kleidung, Gestik, Wortwahl. Norddeutsch, bodenständig, zurückhaltend, fast kühl und dabei doch herzlich. Man kann ihn sich gerade noch im schwarzen Frack mit weißem Hemd, weißer Fliege und weißen Handschuhen vorstellen, auf dem Kopf den schwarzen Zylinder. Aber dazu gedämpftes Licht, ein paar große flackernde Kerzen? Sie bilden die Bruderkette, einen Kreis erwachsener Männer, die Hände ihrer Nachbarn haltend. Seltsames sprechend, ein Totenschädel auf dem Tisch, um an die Endlichkeit des Lebens zu gemahnen. Das passt nicht zu Hammes-Scheidt. Er wirkt wie ein sachlicher Kaufmann. Am Ende des Gesprächs wird er sagen, die Loge habe sein Leben geprägt und es ihm - ohne dass er klagen wolle - im Geschäft schwierig gemacht. „Früher war ich beim Heuern und Feuern dabei. Es ging nicht anders in meinem Job, dachte ich. Inzwischen sehe ich das ganz anders. Obwohl es für mich als Unternehmer sehr teuer ist. Freimaurerprinzipien anzuwenden.“ Doch er muss das. Er entlässt weniger Leute, gesteht den Mitarbeitern Fehler zu, geht mehr auf sie ein. Nicht im landläufigen Sinne geschäftstüchtig, aber eben freimaurerisch.

Hammes-Scheidt geht die breite Treppe im großen, imposanten alten Logenhaus nahe der Hamburger Universität hoch und deutet auf die Wappen der Logen auf der Scheibe mit rotem, blauem und grünem Glas. Die Sonne erleuchtet sie wie in einer Sakristei. Sie gehören zum Sprengel seiner Provinzialloge: Zum Großen Christoph, Eintracht an der Elbe, Phönix zur Wahrheit. Hammes-Scheidt erklärt etwas zur Organisation, es ist kompliziert, macht aber klar, dass das nicht das Entscheidende ist. Dabei wirkt er sachlich. Doch mehrmals taucht er aus dieser Sachlichkeit auf, wenn er über die Atmosphäre, die Bedeutung der Rituale, ihre Wiederholung spricht. Immer dann spürt man das Feuer der Begeisterung. Oben auf der Treppe angekommen, sagt er: „Man kann das nicht erklären, das muss man erlebt haben.“ Er meint das Geheime, das kein Profaner erleben darf. “ Na ja“, sagt er, „nichts ist wirklich noch geheim. In der Universitätsbibliothek stehen viele Bücher, in denen alles beschrieben ist.“ Freimaurertum ist kompliziert, das Regelwerk, die Rituale kaum nachzuvollziehen. Fast nichts ist mehr geheim, alles irgendwo nachlesbar. Das Internationale Freimaurer Lexikon, das als Klassiker gilt, umfasst 950 Seiten, klein bedruckt und voller Fachausdrücke. Seltsame Worte, schräge Formulierungen, Widersprüchliches, Feinheiten, Insidertum. Das kann lächerlich wirken. Genau wie der Freimaurer-Standardsatz, ohne den keiner, auch Hammes-Scheidt, nicht auszukommen scheint: „Das kann man nicht erklären, das muss man erleben.“ Hat man das fünfmal gehört, besteht die Gefahr, dass dieses Totschlagargument zu einem Witz wird. Die Freimaurer aber brauchen diesen Satz und ihre Rituale, weil man das, was sie sonst bieten, heute auch woanders finden kann. Der Satz sorgt für den Verdacht: Die Freimaurerei bietet eine warme Kuschelecke für Männer, die fest im Leben stehen und etwas wie Freiraum brauchen, Freundschaft, Geheimnisse, was Eigenes. Wir hier drin, ihr da draußen.

Früher war das wohl anders, da waren die Logen nicht nur Geheimnis, Ritual, Mystik, sondern auch Orte des Freigeistes und des Austausches von Gedanken, die anderswo verboten waren. Ein Reservat für Intellektuelle, Avantgarde, fast schon revolutionär, auf jeden Fall modern. Damals standen sie für Fortschritt, heute wirken Zusammenschlüsse, die Frauen ausschließen, altbacken. Es gibt viele Wege, auf denen man ein besseres Ich suchen kann. Den höchsten Erkennungswert der Freimaurerei liefern nun die kleinen Geheimnisse, das Verspielte.

Eine kurze Geschichte der Freimaurerei: vom Club der Freidenker zu verfolgten Weltverschwörern

Die Freimaurer-Historie ist erforscht und zerlegt: Im Mittelalter gab es die Kirchenbaumeister, Handwerker, die über die Landesgrenzen von Kirchbaustelle zu Kirchbaustelle zogen und dies mit einem kaiserlichen Freibrief auch durften. Diese Handwerker, die unabhängiger waren als andere, hatten Rituale und Erkennungszeichen - der elitäre Kreis wollte unter sich bleiben. Später kamen andere dazu, solche, die keine Kirchen bauten, da waren die Logen schon eher Männerbünde. Im 18. Jahrhundert entstanden in England Logen, die sich auf die freien Maurer beriefen und deren Symbolik benutzten, Winkelmaß und Zirkel. Die Großloge von London und Westminster entstand 1717 und gilt als Ausgangspunkt der spekulativen Freimaurerei, also derjenigen Freimaurer, die nicht mehr wirklich Stein auf Stein setzten.

Von da an verbreitete sich die Clubidee extrem schnell. In jeder Kolonie gründeten britische Militärs und Verwalter ihre Bruderschaften, aber auch überall in Europa entstand eine Loge nach der anderen. Die Mitglieder waren Bürger und Adelige, jeder Mann konnte dazugehören. Standesunterschiede spielten kaum eine Rolle, die Freimaurer waren so etwas wie eine eigene Gesellschaft, allerdings mit einem Schwerpunkt im Bürgertum. Was in der Loge passierte, war geheim, und alle waren gleich. Titel und Geld spielten keine Rolle. Das war eine perfekte Institution, um über Politik zu sprechen. Die Logen machten Meinungsaustausch möglich, sie standen für Fortschritt, waren Protest gegen die Zustände in Staat, Gesellschaft und Kirche. Freimaurer waren Freidenker, eine Elite. Allerdings neigten die Logenbrüder nicht zu politischen Aktionen. Sie tendierten eher zu dem, was später als sittlicher Pathos in den Büchern auftaucht, zur Arbeit an sich selbst, ohne den Willen zur Missionierung.

Die Liste der Menschen, die Mitglieder in Logen waren, ist beeindruckend, die folgende Auswahl völlig beliebig: Voltaire, Garibaldi, Mozart, Washington, Franklin, Stresemann, fast alle preußischen Könige seit Friedrich dem Großen. Die Französische Revolution war stark beeinflusst vom Freimaurertum. Zwei Drittel der amerikanischen Gründerväter waren Freimaurer. Der erste US-Präsident Georg Washington legte mit seiner Loge den Grundstein für das Capitol. Die Logen in Frankreich veränderten die Riten und entfernten sich von der Kirche, obwohl sie die Bibel als Symbol nutzten und ursprünglich auf einem christlichen Fundament basierten.

In Deutschland gab es verschiedene Richtungen, die sich an Frankreich, England oder Schweden orientierten. In Preußen waren fast immer die Könige oder wenigstens die Thronfolger Mitglieder. Die Logen waren eher national, was zumindest bis zur Reichsgründung progressiv war. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Logen in der reaktionären Ecke angekommen, auch wenn sie immer noch die persönliche Freiheit, die freie Rede und andere liberale Grundsätze betonten. Aber der Zeitgeist war gegen sie. Generalquartiermeister Ludendorff, mit Hindenburg Oberbefehlshaber des sieglosen deutschen Heeres, schob der Weltverschwörung der Freimaurer die Schuld an der deutschen Niederlage zu. In der Weimarer Republik zog er mit hysterischen Schriften gegen die Freimaurer zu Felde. Ein bezeichnender Satz: „Das Geheimnis der Freimaurerei ist überall der Jude.“ Viele Freimaurer sagen, Ludendorff habe Freimaurer werden wollen, wurde aber abgelehnt und war beleidigt.

Hitler nahm den Freimaurerhass seines Protegés Ludendorff gern auf. Im Dritten Reich wurden Logen zwangsaufgelöst und das Freimaurertum völlig ausgelöscht. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Logen in Deutschland noch immer ein Imageproblem. Sie kamen, trotz ihrer Integrität, nie mehr richtig hoch. Bis heute wird über Nachwuchsmangel geklagt. In Deutschland gibt es, je nach Quelle, zwischen 8 000 und 15 000 Freimaurer. Immer wieder heißt es, man müsse sich öffnen, damit Junge kommen. Oder Frauen integrieren.

Alle Freimaurer sagen, wir brauchen Nachwuchs, aber jeder einzelne betont auch, gerade seine Loge eigentlich nicht. Der Stolz auf die eigene Gemeinschaft scheint das nicht zuzulassen. Hammes-Scheidt: „Als ich aufgenommen wurde, war der Altersdurchschnitt dieser Loge 56, heute ist er 54. Wir haben uns also verjüngt.“ Seiner Loge gehe es gut, darauf ist er stolz. Sonst aber ist er sehr sachlich bei seiner Art von Öffentlichkeitsarbeit. „Helmut Schmidt hat 2001 als Redner bei der Feier zum 200-jährigen Jubiläum der vereinigten Fünf gesagt: Ihr Freimaurer tut so viel Gutes, ihr müsst auch darüber reden. Das sehen wir anders.“ Bescheidenheit gehört dazu. Alle Logen und Großlogen sind karitativ, früher haben sie vor allem Krankenhäuser finanziert und betrieben, heute fördern sie alles mögliche Gute. Hammes-Scheidts Großloge etwa unterhält mit einer Stiftung ein Heim für schwerstbehinderte junge Menschen, zum Beispiel Multiple-Sklerose-Kranke. Und sie hat Geld für die Opfer der Oderflut gespendet. Alle Logen haben ihre Projekte, und alle halten den Mund. Fotos von Scheckübergaben mit Freimaurern gibt es nicht.

Freimaurer arbeiten an sich selbst. Sie verbessern sich und dadurch am Ende vielleicht die Welt

Das Freimaurerwort schlechthin ist Arbeiten. Freimaurer arbeiten an sich selbst, um bessere Menschen zu werden, nennen die Treffen mit den Ritualen Arbeit. Und diese Arbeit ist ihr Geheimnis. In Büchern von Freimaurern über Freimaurer gibt es immer Passagen wie diese: “ Der Ausdruck Arbeit für Logenversammlungen der Freimaurer hat sicherlich manchen profanen Leser verwundert. Die Bedeutung eines ernst genommenen Rituals kann einem modernen Alltagsmenschen kaum nahe gebracht werden. Es erfordert nicht nur die Kenntnisse der Spielregeln, sondern auch innerliches Engagement im Sinne des alchemistischen Leitsatzes ars totum requiret hominem“ (Hans Biedermann, Das verlorene Meisterwort, Bausteine zu einer Kultur- und Geistesgeschichte des Freimaurertums). Der Leitsatz bedeutet: Die Kunst beansprucht den ganzen Menschen.

Ein Freimaurer will nicht die Welt verbessern, sondern sich selbst und damit am Ende vielleicht die Welt. Es geht nicht ums Missionieren, sondern um das Leben von Freimaurer-Ideen. Dinge selbst machen, nicht auf andere warten. Toleranz gehört dazu. Hilfsbereitschaft. Bescheidenheit. Humanitas und Caritas. In den Logen wird nicht über Tagespolitik gesprochen, auch nicht über Religion. Riten spielen eine große Rolle, sie vermitteln das Esoterische, Meditative. Die Wiederholung ist wichtig. Und Symbole sind von Bedeutung. Der Totenschädel steht für die Vergänglichkeit. Der Zirkel ist das Sinnbild der Mäßigung, das rechteckige Winkelmaß ist ein Symbol für das Exakte. Die Freimaurer fangen als unbehauene Steine an, werden durch Arbeit an sich selbst glatter und können dann ihre Rolle in der Mauer übernehmen. Wobei nicht alle gleich sind, es gibt verschieden große Steine mit verschiedener Bedeutung in einer Mauer. Man hilft sich gegenseitig in den Logen. Aber, und da legen alle großen Wert darauf: Geschäftsmaurerei ist tabu. Es dürfen keine Aufträge hin- und hergeschoben werden. Das Business hat draußen zu bleiben, das ist anders als bei den Lions oder den Rotariern.

Es gibt inzwischen auch Frauenlogen, aber die sind nicht wirklich echt. Freimaurertum ist Männersache. Hammes-Scheidt erklärt das damit, dass Frauen bei den Ritualen ablenken würden, beim Streben nach Erkenntnis, bei der Arbeit an sich selbst. Und darum geht es vor allem, um diese Erkenntnis, nicht um Profanes. Aber wer ein Problem hat, kann darüber sprechen, ohne dass etwas nach außen dringt. „Das Schöne ist, dass die Brüder untereinander ein sehr vertrauensvolles und offenes Verhältnis haben. Oft reicht es ja schon, über seine Probleme nur zu reden.“

Hammes-Scheidt trägt einen Kapitelring an der rechten Hand. Das bedeutet, er ist nach der Johannis- und Andreasloge noch eine Stufe höher angekommen. Die Freimaurer sind zwar immer Lehrlinge, arbeiten sich aber gleichzeitig erkenntnistechnisch nach oben. Dabei sind die so genannten Erkenntnisgrade bei den verschiedenen Logenarten unterschiedlich. Manche haben 33 Stufen, andere drei. Hammes-Scheidt mit dem Kapitelring ist kein rauer Stein mehr, so ein Freimaurerterminus für jemanden, der noch an sich arbeiten muss. Doch da widerspricht er sofort, und zwar, entgegen seiner sonstigen Art, mit Nachdruck: Ein Freimaurer sei immer ein Lehrling, er müsse immer an sich arbeiten. Freimaurer scheinen sich durch eine besondere Bescheidenheit auszuzeichnen. „Wir wollen nicht missionieren. Wir arbeiten an uns selbst, nicht an den anderen. Das ist ganz schön schwierig.“ Hammes-Scheidt versucht die Bedeutung der Rituale zu erklären. Sie schaffen Atmosphäre und sorgen für Abstand vom Profanen. „Wenn Sie darüber lesen würden oder es als Außenstehender sehen, könnten Sie es vielleicht als Kasperletheater wahrnehmen. Aber wenn Sie es intensiv erleben, erkennen Sie, dass das kein Mummenschanz ist.“

Sven Jösting, Bruder der Loge Roland, beschreibt die Wirkung der Rituale so: „Es hat etwas sehr Meditatives. Die Kerzen. Ich komme von draußen, aus der Hektik, und dann plötzlich Ruhe.“ Seine Loge ist eine Montagsloge. „Der Montag ist ein super Entree für meine Woche.“ Weltflucht? Nein, sagt er. Es werde zwar nicht über Religion und Parteipolitik gesprochen, aber durchaus über Dinge, die für die Gesellschaft wichtig sind. Auch er legt Wert darauf: „Wir bleiben immer Lehrlinge.“

Bernd Brauer ist der Meister vom Stuhl der Loge Roland in Hamburg, zu der Jösting gehört. Im profanen Leben leitet er die überbetriebliche Ausbildung des Bankenverbandes Hamburg. Der Begriff Meister vom Stuhl signalisiert, dass die Loge humanitär orientiert ist, weniger am Christentum. „Wir haben Muslime, Juden, Religionslose in unserer Loge. Die Religion spielt bei uns eine andere Rolle.“ Brauer ist 56 Jahre alt, hat graue Haare und trotz einer flotten Gestik eine ruhige, sachliche Ausstrahlung, in die er ab und zu einen ironischen Einschlag einbringt. Ganz ernst ist er jedoch, als er „eine Sternstunde unserer Loge“ schildert: Als der Irak-Krieg drohte, wollten die Logenbrüder darüber sprechen. Bei einigen sei klar gewesen, dass sie vehement gegen den Krieg sind, einige dagegen verstanden die Amerikaner. „Ich habe vier Brüder um kurze Statements gebeten, bei zwei von denen ahnte ich, dass sie eher positiv sind, bei den anderen, dass sie den Amerikanern gern in den Arm gefallen waren. Es ging hart her, aber es ist keine Bitterkeit geblieben.“ Einer der Brüder stammt aus Syrien und habe wichtige Informationen über den Islam geliefert. Und wie immer habe gegolten: Anerkennung kommt vor Bestätigung. Die Umgangsformen sind kultiviert, „sonst wird man ja zur Last“. Man lernt bei den Freimaurern, mit kontroversen Partnern umzugehen. „Man trennt sich davon, missionieren zu wollen.“

Brauer betont die extreme Toleranz des Freimaurertums. Es gelte das Prinzip, erst mal an sich selbst zu arbeiten und die anderen nicht zu belästigen. Beide Logen, Roland und Hanseatentreu, gehören zur Vereinigten Großloge von Deutschland, der übergeordneten Einrichtung aller deutschen Großlogen. Nicht zu verwechseln mit der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, in der die Hanseatentreue organisiert ist.

An der linken Hand trägt Hammes-Scheidt noch einen Ring, allerdings zeigt der darauf abgebildete Zirkel und das Winkelmaß eine Stellung, die nicht dem der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland entspricht. Hammes-Scheidt erklärt: Den Ring hat ihm seine Frau geschenkt, die ihn in einem Antiquaritat gefunden hat. Es dürfte wohl ein englischer Ring sein, die Winkelstellung zeigt eindeutig, dass es ein Ring einer A.F.u.A.M-Loge ist. Das steht für Alte Freie und Angenommene Maurer. Die Loge Roland, deren Meister vom Stuhl Bernd Brauer ist, ist auch eine solche Loge. Beide Logenbrüder sind zudem bei der Vereinigten Großloge von Deutschland. Und es gibt weitere Überorganisationen. Die unterscheiden sich in Details, in kleinen Veränderungen am Ritual oder Ähnlichem. Aber da ist eine Grundidee, die allen gemein ist: Der Weg zum Ziel kann unterschiedlich sein.

Bei Bernd Brauer, Meister vom Stuhl der Loge Roland, im Büro. Er zählt auf, welche Berufe die Brüder haben: Beamter, Kaufmann, Rechtsanwalt, Arzt, Kapitän, Sozialarbeiter, Journalist, Psychologe, Grafiker, Dozent, Elektriker, Kfz-Meister. Auch ein Student ist dabei. Die Liste ähnelt stark der, die Hammes-Scheidt für seine Hanseatentreue aufgezählt hat. Die Altersspanne reicht von 22 bis 90, der Altersdurchschnitt liegt weit über 50. Brauer sagt noch einmal: Man muss es erleben, erklären geht nicht. Und: Man ist immer ein Lehrling, bis man in den ewigen Osten geht. Ein kurze Pause. Hat er einen Witz gemacht? Anscheinend nicht. Das ist eine Freimaurer-Umschreibung für den Tod.

Brauer erzählt, wie er zum Freimaurer wurde: Ein Kollege hat ihn angesprochen, es klang interessant. Er war auf Veranstaltungen, bei denen Gäste willkommen waren, wurde von Brüdern geprüft und schließlich Lehrling. „Den Wert und die Schönheit des Rituals habe ich erst kennen gelernt, als ich teilgenommen habe.“ So ähnlich klang das auch bei Hammes-Scheidt. Jemand lud ihn zu einem Vortrag ein und erklärte, er sei Freimaurer. „Da fiel bei mir erst mal die Klappe. Ich dachte an den KuKluxKlan, nahm aber die Einladung an, weil ich keine Vorurteile pflegen wollte. Die gingen dort mit mir um, als gehörte ich schon seit Jahren dazu. Das kommt aus dieser inneren Ausstrahlung, das kann man nicht fassen.“ Nein, beschreiben könne man die nicht. Er geht die Treppe hinab, vorbei an den Logen-Wappen. „Das Freimaurerische Geheimnis ist nichts anderes als das Erlebnis. Das ist wirklich das Einzige.“