Na dann P(r)ost!

Reportage
zuerst erschienen im Oktober 2000 in brand eins
Für den Börsengang lernen Postler wirtschaftliches Denken – und gute Sitten

Romantik Hotel Zum Stem, Bad Hersfeld, nahe Kassel, an der Autobahn, grob gesehen in der Mitte Deutschlands, auch atmosphärisch, nicht nur, wenn man auf die Karte schaut. Eine Seminarszene: Neun Key-Account-Manager und Consultants der Post sitzen an den zu einem U formierten Tischen in dem kleinen Konferenzsaal, der großer Konferenzsaal heißt. In der Öffnung des Us eine Tafel, der Tisch von Susanne Helbach-Grosser, der Lehrerin von Takt und Stil. Takt und Stil, so heißt ihre Firma. Susanne Helbach-Grosser lehrt Sachen wie: Wem schüttle ich zuerst die Hand? Was darf ich sagen? Was nicht? Wann gehe ich zuerst durch die Tür? Wann zuerst die Treppe hoch? Es gibt viel zu lernen, weil Stil ein weites Feld, nein, ein matschiger Acker ist. Stil muss erarbeitet werden. Als die Trainerin ein großes Plakat der Firma Riedel aufrollt, auf dem 60 verschiedene Gläser für 60 verschiedene Gelegenheiten sind, sagt einer der Postler: „Ach du Scheiße!“ Er hat Recht, man kann so viele Fehler machen. Susanne Helbach-Grosser ist ein Mamatyp mit großem Busen unter kaschierender weiter Bluse, ihr Gouvernantenhaftes wird durch viel Ironie und Charme verdeckt. Sie hat Hilfe mitgebracht. Die Mode- und Stilberaterin Annette Möller sitzt in einem kleineren Zimmer nebenan, beurteilt und berät ihre Klientel individuell. Für ein, zwei Stunden klinkt sich jeweils einer der Manager aus und kommt als Winter-, Herbst-, Sommer- oder Frühlingstyp zurück ins Seminar.

Später, beim Artischockenessen unter Anleitung, ironisieren sie das ein wenig, aber alle nehmen es ernst. Sie reden lange darüber, welche Farbe zu wem passt, was für ein Typ, warum? Denn: „Erziele ich beim Gegenüber den Eindruck, den ich erzielen will? Oder das Gegenteil?“, fragt Andreas Wölbert. Dazu wolle er etwas lernen in dem Kurs. Die einzige angemeldete Post-Dame ist nicht dabei, weil sie sich beim Fallschirmspringen ein Bein gebrochen hat. Ein Symbol: Die Post geht an die Börse, die Mitarbeiter sind keine Beamten mehr, sie sind jetzt Fallschirmspringer. Die Männerrunde gehört eher zur neuen Generation, ist eine Ansammlung von Verkäufern, vom Typ her Verhandler, die können das schon.

Der Ranghöchste ist Hans Harden. Auf seiner Visitenkarte steht: Dipl.-Ökonom, Zentrales Key Account Management Brief, Abteilungsleiter Einzelhandel, Konsumgüter. Ein netter Mann, aber auch ein Geschäftsmann, einer, der sich durchsetzen kann. Er war dieses Jahr in der Türkei, ging da hin und verhandelte mit einheimischen Teppichhändlern, tagelang, mit Vergnügen und Erfolg. Er kaufte erst einen Teppich, nachdem er den Preis wirklich runtergedrückt hatte. So etwas macht er gern, er kann verhandeln. Und sie haben ihm den Teppich kostenlos nach Deutschland geliefert. Er, vom Typ her eine Frohnatur, handelt mit Orientalen zum Vergnügen.

Die anderen sind ähnlich, denen würde ein Normalbürger schon den einen oder anderen Gebrauchtwagen oder eine Versicherung abkaufen. Andreas Wölbert ist beispielsweise so einer, den man bestimmt gern unterschätzt, er wirkt so ungemein sympathisch und ein bisschen hilflos, auf keinen Fall wie ein Geschäftsmann. Aber das ist er. Stellt immer Fragen aus der Praxis, zielgerichtet, ergebnisorientiert. Zum Beispiel: Soll man den Kunden bei Besprechungen das Rauchen erlauben? Wo sitzt man bei Verhandlungen, psychologisch gesehen, am besten, Fenster im Rücken? Die Jungs sind gut gekleidet, nicht zu gut, wirken vielleicht ein bisschen spießig, einige sind 28,29, verheiratet, bauen gerade oder kümmern sich in der Freizeit schon um den Garten. Sie interessieren sich sehr für Fußball. Aber wie gesagt, sie sind Business-Typen, passen alle in ein Unternehmen, das sich ändert, gerade an die Börse geht und deshalb kämpfen muss. Aktie gelb - alles neu, seltsame Atmosphäre, Unsicherheit. Angst? Unwohlsein? Nicht wirklich: Bei einem Seminar Takt und Stil zu lernen und sich dabei beobachten zu lassen, das ist doch fast eine No-Win-Situation, ein Risiko, dazu gehört Mut. Sie hätten ja auch nein sagen können, aber nein, sie gingen mittendurch, haben sich zuschauen lassen, obwohl, so ist das nun mal mit Takt und Stil, alle paar Minuten eine Blamage lauerte.

Die Manager, die hier geschult werden, sind kündbar. Nur einer kommt aus der alten Zeit, die anderen haben Lidl-Filialen geleitet oder welche von Allkauf oder waren Unternehmensberater oder, wie Hans Harden, bei Wirtschaftsverbänden. Sie sind zuständig für die größten Postkunden, die Geldbringer. Die Namen dürfen sie nicht nennen, die jetzt folgenden stammen aus Archiven: die Telekom, die versendet so viele Telefonrechnungen. Per Post. Weitere Großkunden, also Key Accounts, sind Bertelsmann und die anderen großen Pressevertriebe. Was die an Zeitschriften durch Deutschland schicken! Otto Versand, Quelle, Neckermann natürlich. Die großen Banken und Versicherer. Weitere Key Accounts sind Metro, Nestle, Ferrero, wobei diese Unternehmen nicht zu den ganz großen Kunden gehören. Aber: Sie haben Potenzial, sie könnten es noch werden, deshalb werden sie gehätschelt. Die Post AG arbeitet also zukunftsorientiert, klebt nicht am Status quo wie früher, als die einzige Veränderung dann und wann die Portoerhöhung war.

Der freie Markt ist schwierig, deshalb muss man so viel lernen. Aber er bringt auch Zukunft. Und Aktien Der Markt ist groß und lukrativ. Angedeutet wird das mit der Post-Werbung: Der Yahoo-Gründer antwortet, von Großbildschirm zu Großbildschirm, dem Und-wer-bringt-es-zum-Kunden-fragenden-Post-Fuzzi in das selbstzufriedene Gesicht: Ähhhh, da braucht man einen Partner, der sich auskennt. Nur für Direktmarketing gaben deutsche Unternehmen 40 Milliarden Mark im vergangenen Jahr aus, vor allem für Briefe an die Kunden, eine Steigerung um sieben Prozent. Aber bald ist das Monopol weg, also jetzt diese Schulung, eine von vielen.

Es wird geklärt: Wie setze ich mich hin, wenn verhandelt wird, wie bin ich angezogen, welche Worte sind nur noch Floskeln und werden als solche auch erkannt, sag ich Prost und Guten Appetit? Solche Dinge. Die zwei Tage sind anstrengend. Das alles klingt zuerst mal lustig, aber es ist harte Arbeit. Die gemeinsame Erkenntnis von den eigenen Unzulänglichkeiten, das gemeinsame Scheitern und Lernen, das verbindet auch. „Ich sehe uns schon als Team“, sagt Hans Harden.

Die meisten arbeiten in der Bonner Zentrale, es sind aber auch Leute aus Bremen, Hannover und Frankfurt dabei. Abends, nachdem sich die beiden schulenden Damen zurückgezogen haben, bestellen sie Bier, tauen in Minuten auf und haben endlich Spaß. Sie werden, wie es sich für eine neue AG gehört, auch mit Beteiligungsprogrammen motiviert. Sie können für 5000 oder 10 000 Mark die Aktie gelb zeichnen und bekommen sie auf jeden Fall zugeteilt. Sie können für 3000 Mark zeichnen und bekommen dafür ein zinsloses Arbeitgeberdarlehen plus eine Call Option: noch mal die gleiche Anzahl Aktien nach zwei Jahren. Sie können für 600 Mark Aktien kaufen, die Hälfte bekommen sie als zinsloses Darlehen, die andere als Zuschuss. Vor allem: Sie können alles auf einmal in Anspruch nehmen. Sie haben alle, wie die meisten beim gelben Riesen, zugegriffen. Da kann man ein Stündchen darüber reden in entspannter Nachunterrichtsatmosphäre.

Vom Hummerknacken, Artischockenessen und anderem, das ein Geschäftsessen minieren kann Der Konferenzraum ist gewölbt und hell, an der Decke sind viele kleine Glühlampen in das helle Holz eingelassen, Kaffee, Tee, Saft, Wasser stehen auf einem Tisch an der Wand. Eindeutig Schulungsatmo. Nachher werden Folien an die Wand geleuchtet, Dias und Videos angeschaut, Hummerzangen und Austernbrecher gehen herum. Austern bekommt man nur zerlegt auf den Teller, keine Angst, sagt Susanne Helbach-Grosser, „aber nur vollständigkeitshalber: Sie sind mit einem Kunden in der Bretagne oder in Kanada unterwegs, und der sagt, lass uns Austern holen und gleich aufmachen, dann müssen Sie…“ Das Essen wird einen Stock tiefer in einem etwas zu kleinen Raum serviert, da geht es dann um Wein, um Konversation bei Tisch. Sie werden lernen: Hummerknacken, Artischockenessen, Austernschlürfen, Spargel und Kartoffel dürfen mit dem Messer geschnitten werden, Eier werden mit dem Messer geköpft. Was halt so alles nötig ist, um die großen Firmen als Kunden zu halten oder anzulocken. Zuerst etwas zum Warmwerden: Jeder nennt sein schönstes Erlebnis der letzten 14 Tage und davor seinen Namen, damit man sich kennen lernt: „Ich heiße Uwe Lippmann. Ein schönes Gefühl hatte ich im Rahmen meiner Arbeit als Großkundenberater“, er schildert das schöne Gefühl, „fand ich klasse, tolles Verhältnis zu den Kunden“. Carsten Buttelmann erzählt vom Geburtstag seines Sohnes: Sie waren in einer Spielscheune mit den Kleinen, nachher, bei ihm im Auto, haben einige Kinder gesagt, es war der beste Geburtstag, auf dem sie je waren. Ein gutes Gefühl. Stolz.

Susanne Helbach-Grosser und Annette Möller hatten auf die Tafel ein rotes Herz gemalt und -lich willkommen darunter geschrieben. Jetzt geht es um Andreas Wölberts wichtige Frage: „Erziele ich beim Gegenüber den Eindruck, den ich erzielen will oder etwa das Gegenteil?“ Da sei die Kleidung wichtig. Und die Körperhaltung. Wissenschaftler hätten belegt: Der erste, schwer zu widerrufende Eindruck entsteht in drei bis fünf Sekunden, wird zu 55 Prozent durch Körpersprache bestimmt, zu 38 Prozent durch den Klang der Stimme, dann folgen Kleidung, Statussymbole, Geruch. Ach ja, zu sieben Prozent durch den Inhalt dessen, was man sagt. Im Nebenraum bekommt Hans Harden seine Typ- und Farbberatung. Er ist gemütlich dick, was bei ihm seltsam wirkt, weil er sehr quirlig ist, richtig beweglich, temporeich. Immer freundlich, nett, aber man ahnt so einen aggressiven Zug in seinem Wesen. Sein Gesicht ist rot, er schwitzt leicht, spricht ganz tief und durch die Nase. Benutzt häufig folgende Floskeln: „Okay, ich nehm das mal so mit.“ - „Korrekt.“ Ton in Ton für den guten Ton: Es folgt die individuelle Stilberatung Annette Möller fragt ihn: Kaufen Sie Ihre Sachen selbst ein? Ja, macht er, drei-, viermal im Jahr. Mit seiner Farbauswahl ist die Fachfrau unzufrieden: “ Schwarzweiß gehört nicht zu Ihren Farben, Sie haben eine Sonnenbrandhaut, das heißt, die derzeitigen Modefarben passen zu Ihnen.“ Cremefarbene Hemden statt weiße und dezente Herbstfarben. Der Raum ist hell, durch die Fenster knallt die Sonne. Alle Lichter, Strahler, sind an, ein großer Spiegel reflektiert. „Sie sind ein übergewichtiger Körpertyp, es gibt da ein paar Sachen, die man beachten soll.“ Einreiher besser als Zweireiher. „Wir wollen ja kaschieren.“ Und: „Weste ist gut, das ist was, das sehr gut kaschiert.“ Hemdkragen eine Größe mehr nehmen. Guter Ton verlangt im Kundenbereich lange Hemdärmel. Hosen ohne Bundfalten sind für ihn besser, leichte Stoffe, nichts Großgemustertes. Das Jackett sollte einen Schlitz hinten in der Mitte haben. „Schuhe immer dunkel, das ist Gesetz.“ Und: „Leder und Gold passt zu Ihnen, Sie haben mehr zu bieten als Schwarzweiß, Sie müssen jetzt nicht den Loden verfallen, aber das gehört auch dazu.“ Die Farbberaterin legt ihm Stofftücher über die Schultern, drapiert sie so lange, bis sein Hemd ganz bedeckt ist. Am Ende überreicht sie ihm seinen Farbenpass. Und sagt, er sei ein eindeutiger Herbsttyp, bodenständig, naturverbunden, sie könne ihn sich gut mit viel Holz drumherum vorstellen. Das ist korrekt, antwortet er. „Wir bauen gerade ein Holzhaus, ein Haus komplett aus Holz.“ Okay, er nimmt das jetzt mal so mit und geht wieder zu den anderen.

Dann wird wieder gelernt: „Man kann heute problemlos sagen: Lassen Sie uns doch zuerst die Visitenkarten tauschen. Das geht auch schon wortlos. Schauen Sie die Visitenkarten an, nicht verschämt wegpacken, anschauen, auch darüber reden, sie geben uns wichtige Informationen über akademische Titel, über Adelsprädikate, über die Stellung im Unternehmen. Die Karten nie im Beisein der Person beschriften, manche sind heikel damit, es gibt ja Karten, die kosten bis zu acht Mark, Stahlstich, solche Dinger kosten.“ Der Körper spricht, ohne dass man es selbst merkt, da muss man aufpassen Das Thema Körpersprache wird breit abgehandelt. Werde oft unterschätzt. „Die Hände flach, offen, in die Geste bin ich verknallt.“ Körpersprache heißt, „alles einsetzen, beweglich sein“. Es gibt aber vieles, was tabu ist. Hände an den Hoden. Oder in den Hosentaschen, weil das ähnlich ist wie Hände an den Hoden. „Kein Stehen in Freistoßhaltung.“ Und: „Führungskräfte haben die Hände nicht in den Hosentaschen.“ Sie hatte schon Seminarteilnehmer, die haben sich ständig zwischen die Beine geklopft oder dort so richtig italienisch gekratzt. Geht natürlich nicht.

Oder doch? Man könne mit Körperhaltung nämlich spielen im Geschäftsleben, aber besser nicht mit der Hand da unten. Dominanzdaumen hoch, wenn die Hände gefaltet sind, das ist nicht nett, man kann das aber einsetzen. Gutes Benehmen soll benutzt werden, schlechtes auch, es kann Dominanz und Macht ausdrücken, einschüchtern, drängen. Allerdings, ganz wichtig, um noch mal auf das männliche primäre Geschlechtsteil zurückzukommen: „Manchmal ist eine Zigarre doch nur eine Zigarre, wie Freud gesagt hat.“ Wenn jemand mit einem Füller spielt, spielt er vielleicht wirklich nur mit einem Füller, aus Langeweile, weil er unsicher ist oder einfach nur so. Beim Stehen sollte der Abstand der Füße nicht breiter sein als die Schultern, damit man nicht zu wuchtig wirkt. Am Tisch kein Stachelschwein, also „die Hände gefaltet, die Finger stehen ab, das zeigt nur, dass das unangenehme Gegenargument gleich kommt“.

Susanne Helbach-Grosser zeigt Dias: Gerhard Schröder, Bill Clinton, die Queen, Axel Schulz, Models, was geht, was geht nicht. Die Queen beispielsweise darf ein Weinglas so halten. „In angelsächsischen Ländern geht das, das hat nichts mit Sonderrechten für die Queen zu tun.“ Jetzt zum Händedruck: „Toter Fisch bis Knochenbrecher, alles möglich, fester Händedruck wäre okay, aber nicht brutal. In den neuen Bundesländern gibt man sich mehr die Hände als bei uns.“ Das ist eine etwas stillose Bemerkung, mit der die Trainerin aber durchkommt, weil kein Ossi dabei ist bei den Key-Account-Managern. Natürlich stellt sich die Frage: Wer grüßt zuerst? „Rang toppt im Geschäftsleben alles, auch Alter und Geschlecht. Der Ranghöhere wird begrüßt, bottom-up. Beim Händeschütteln umgekehrt, ich erlaube Hautkontakt, also top-down. Noch mal: Rang toppt alles.“ Wenn man viel redet, trinkt man besser viel Wasser und andere Kleinigkeiten Es wird gespielt. Vier stehen in der Mitte, bekommen ihre Rollen zugeteilt, grüßen und schütteln die Hände, sie versuchen, eine komplizierte mathematische Formel in Bewegungsabläufe und in Grußformeln umzusetzen, und sind dabei zum Scheitern verurteilt. Es ist einfach furchtbar kompliziert. Hängen bleibt: Die eigene Frau nennt man nicht Gattin. Es zeigt sich: Wer nett und natürlich, höflich und ein bisschen witzig ist, schneidet am besten ab, auch wenn er sich nicht exakt an die Stilkunde hält. Regeln sind da, um gebrochen zu werden. „Improvisieren Sie!“ Einer fragt: „Ist der Kunde nicht automatisch ranghöher?“ Und Susanne Helbach-Grosser, sonst bei großen Autozulieferern und Autofirmen, Banken und Versicherern aktiv, antwortet mit erstaunlichen Worten: „Das hat mir bisher noch keine Firma sagen können. Seltsam.“ Die smarten Postler beschließen: Bei ihnen ist der Kunde immer ranghöher.

Die Lehrerin macht schon lange Stilkunde, ist ein altes Seminartier, ihr Timing perfekt, nie überzieht sie, immer wieder kommen kleine Hämmer, die für Aufmerksamkeit sorgen. Ein Beispiel: „Politiker reden zu viel und trinken dabei zu wenig Wasser, deshalb haben sie Mundgeruch.“ Auch gut: „Helmut Kohl hat eine viel zu dicke Zunge für seinen Mund, es ist ein Wunder, dass er so lange Kanzler war.“ Susanne Helbach-Grosser zeichnet sich dadurch aus, dass sie unheimlich schnell viele Namen auswendig lernt und nur mit Namen anspricht. Das habe etwas mit Höflichkeit zu tun. Auf jeden Fall funktioniere es im Geschäftsleben, mache Eindruck, helfe beim Business.

Und jetzt noch Konversation: das Wetter, Autos, Kinder, der Garten. Gähn Gute Konversation auch. Die wird auf dem Parkplatz geübt. Die neun Postler stehen im Kreis mit Susanne Helbach-Grosser, sie hat einen kleinen, weichen Kinderball und wirft ihn Martin Linde zu. Das ist ein ruhiger, aber witziger blonder Mann, er muss die Konversation beginnen. Langweilig beginnt er mit dem Wetter. Am Abend vorher, beim Essen, da rauchte er Zigarren, machte Witze, lachte, ein richtiger Unterhalter. Jetzt nicht. Ball und Worte fliegen, es läuft aber nicht richtig. Man erfährt von jedem so ein paar Lalala-Gedanken über Fußball, über Gartenarbeit, über die Kinder, über die Autos, über… bei einer Party würde man spätestens jetzt Getränke holen. Auf dem Parkplatz geht das nicht, weil ja gleich der Ball wieder anfliegen könnte. Gut, das sollten sie noch ein paar Mal üben. Gute Konversation ist auch mit Ball nicht leicht.

Weiter geht’s. Sie lernen, dass Trauerkarten nicht gut sind, Brief ist viel besser, nie Vordruck. Wer zahlt, geht vor ins Restaurant. Die Serviette wird links neben dem Teller abgelegt, wenn man aufs Klo muss. Das Essen mit Geschäftspartner ist sowieso ein großes Thema. Susanne Helbach-Grosser: „Da sieht man schnell, wo er herkommt, WG, Wigwam oder so.“ Wenn man einlädt, sollte man Signale geben à la: Welche Vorspeise nehmen Sie? Damit er weiß, die Post zahlt auch die Vorspeise. Ganz wichtig: bis nach dem Dessert kein Ellenbogen auf dem Tisch.

„Ob der Gegenüber schon gereist ist“, erkenne man am Umgang mit der Serviette. Spätestens wenn das Brot kommt, soll sie auf dem Schoß liegen. Und und und und, es gibt so viel zu beachten, man kann eigentlich nur Fehler machen. Der Börsengang der Aktie gelb dürfte dagegen ein Kinderspiel sein.